Ein Kulturereignis der ganz besonderen Art: Das Bärenfestival in Ilomantsi
von Beate Erwien-Schrotmann
An sieben verschiedenen Örtlichkeiten fand in diesem Jahr Mitte August das sechste Bärenfest statt.
Dass ausgerechnet Ilomantsi sich als Austragungsort etabliert hat, kommt nicht von ungefähr; denn Bärenbesuch ist in dieser kleinen Stadt nichts Ungewöhnliches. Bekannte, die in der Kommune Ilomantsi, jedoch im Nirgendwo, eine kleine Farm bewirtschaften, erzählten uns noch vor wenigen Tagen bei ihrem Besuch, dass sie häufig Bären zu Gesicht bekommen, weil sie am Rand der Felder stehen oder ihre großen Tatzen ihre Spuren hinterlassen haben. Auch ihre riesige Hinterlassenschaft ist nicht zu übersehen. „Im wilden Nordkarelien hat jeder Ort seine eigenen Bären“, meinte Pirjo.
Als wir am zweiten Tag des Wettbewerbs der Bärenbildhauermeisterschaft aus unserem Fahrzeug steigen, hörte sich die Geräuschkulisse an, als sei ein Hornissenschwarm in der Nähe. Zum Thema „GoBearGo“ liefen die Kettensägen, raspelten die Bohrer und Winkelschleifer, schurbelten die Schleifmaschinen, und so manches Werkzeug war aus alten Teilen zu neuer Anwendung umfunktioniert worden. Es flogen die Späne und so manchem Künstler rann vor Anstrengung der Schweiß von der Stirn. So ganz nebenbei spielte sich auch so manches Drama ab, wenn eine andere Kettensäge zum Einsatz kommen sollte und partout nicht mehr anspringen wollte.
Dies sind die Voraussetzungen zur Teilnahme: Die Skulptur muss aus dem vom Veranstalter zur Verfügung gestellten Holzblock angefertigt werden. Die Teilnehmer dürfen ihrer Skulptur keine anderen Materialien hinzufügen oder die Oberfläche mit Farbe oder Schutzbehandlung versehen. Die Oberfläche kann vorsichtig mit einem Gasbrenner behandelt werden, die Verwendung eines offenen Feuers ist jedoch verboten. Die Wettkämpfer dürfen einmal vor Wettkampfbeginn den Holzblock wechseln. Die Teilnehmer müssen mindestens schnittfeste Hosen und Sicherheitsschuhe sowie Gehör- und Augenschutz tragen. Die Wettkämpfer müssen ihre eigene Sicherheitsausrüstung zum Wettkampfgelände mitbringen. Jeder Teilnehmer muss sicherstellen, dass er voll versichert ist. Die Bildhauer müssen sich verpflichten, Rücksicht zu nehmen auf die eigene Sicherheit, die anderer Konkurrenten und des Publikums.
Wie unterschiedlich jeder Künstler dann aus seinem dicken langen Baumstamm das Thema angeht, ist schon erstaunlich: Ein Bär auf einem Segway, zwei Künstler ließen den Bären surfen, einer ihn schaukeln, ein weiterer saß in einem Ruderboot, ein Bär spielte Akkordeon, zwei tanzende Bär, ein Bär mit Hockeyschläger, zwei Bären in inniger Umarmung, ein Bär auf der Pirsch, ein Dompteur auf zwei Bären reitend. Insgesamt wetteiferten mehr als 30 Teilnehmer um die ersten drei begehrten Plätze.
Bemerkenswert war für uns die riesige Altersspanne: der Jüngste war Anfang 20, der Älteste Mitte 70.
Zur gleichen Zeit fand entlang der „Hauptstraße“ das „Wild Food Festival“ statt. Hier hatten Privatleute die Chance, für zwei Tage in einem quasi Mini-Restaurant ihren eigenen Kreationen anzubieten. Wir aßen z.B. von einem Insel-Nachbarn des Koitere-Sees ein kleines „Potpourri“ aus einer köstlichen Fischsuppe, einer speziellen Scheibe Brot mit Zwiebel und Fisch aus dem See und Bärenfleisch in Tomatensoße.
So lernten wir auch weitläufige Nachbarn kennen. Es gab Stände mit finnischem Sekt aus Beeren, Erdbeeren oder Rhabarber. Imker und private Marmeladen-Produzenten boten ihre Produkte an, und besonders hübsch anzuschauen waren die Stände mit finnischen Beeren, essbaren Kräutern und speziellen Pilzen. Auch ein Koch-Wettbewerb, selbstverständlich nur mit Zutaten wie wilden Beeren, Kräutern, Pflanzen und Pilzen, fehlte nicht. Nachmittags bot ein ökumenischer Chor aus Lutheranern und Orthodoxen musikalische Untermalung. Auf dem Marktplatz wurden ferner handwerkliche Produkte angeboten, z.B. Körbe aus Birkenrinde, naturgefärbte Wolle und selbstgewebte Läufer. Es gab Workshops für Makramee und Weben sowie zum Thema Wildkräuter, natürlich mit Gang durch die Natur.
Es war uns eine Freude, viele unterschiedliche Künstler bei der Erschaffung ihres Werkes über einen ganzen Tag mit zu erleben, Freunde und Bekannte zu treffen und Gespräche mit Unbekannten zu führen. Beim Lunch saßen wir im Café neben dem sympathischen „Künstler Nr. 3“, der uns erzählte, dass das Erschaffen solcher Kunstwerke sein Broterwerb ist. Er zieht mit einem Van und seinem erforderlichen Equipment durch Finnland, besucht ähnliche Veranstaltungen und kann vom Verkauf seiner Kunstwerke gut leben.
Das sind nun die Gewinner des Festivals: (diese Fotos wurden auf der Website veröffentlicht):
1. Platz: Markku Tuominen, Nurmijärvi
2. Platz: Igor Kyllinen, Oulu
3. Platz: Erkki Rytkönen, Iisalmi
Übrigens gab es im typisch karelischen Restaurant Parppeinpirtti zur Feier des Tages ein Bärenbankett mit musikalischer Untermalung und landestypischen Darbietungen. Das Bankett sollte etwas für harte Männer und dicke Brieftaschen sein.
Bei diesem Fest hatte jeder Besucher eine gute Gelegenheit, karelische Lebensart und die Mentalität der Nordkarelier kennenzulernen: Naturverbundenheit, das Sammeln von Beeren und Pilzen, die Vorliebe für die Jagd und die Leidenschaft für das Fischen, die Freude an der Kommunikation.
Tyrjänsaari, 19.08.2019